Die Musikbranche im Jahr 2020: Erstmals blickt die US-amerikanische Musikszene im vorangegangenen Jahr auf mehr als eine Billion Streams auf Spotify, der deutsche Musikmarkt knackt aktuell die Grenze von über 100 Milliarden. Viele Songs, die gestreamt wurden, sind das Ergebnis von Arbeiten am heimischen Rechner, in Schlafzimmer- und Privatstudios. Wie hoch der Prozentsatz genau ist, ist kaum zu ermitteln, er dürfte aber locker bei 40-50 Prozent liegen. Und dennoch existieren sie weiter, diese kostspieligen Einrichtungen namens „professionelles Tonstudio“. Was früher der Ort der Sehnsucht eines jeden Musikers war, entwickelt sich, so scheint es, mehr und mehr zum Auslaufmodell. Wer also ist – im besten Sinne des Wortes – so „bekloppt“, sich noch so ein wirtschaftlich schwer aufrecht zu erhaltendes Ding an die Beine zu binden? Das wollte das Team um den Fotografen Thomas Duffé herausfinden – und hat sich (fast) alle Tonstudios Hamburgs sowie im Umkreis angesehen und sich mit den Machern unterhalten.
Zu Beginn dieser Idee hatten die Autoren und der Fotograf keine Ahnung, was für Schätze sie bergen würden. Schätze in Form von Menschen, ihren Geschichten und dem zuweilen skurrilen, technischen Equipment. Jeder Besuch eines Tonstudios war wie der Griff in eine Tüte mit Glückspillen: Nüchtern und neugierig gingen sie hinein, berauscht und voller Bilder kamen sie wieder heraus. Getragen von einer Euphorie, die letztlich eng verbunden ist mit der Leidenschaft der Studio-Betreiber.
Die Geschichten handeln von antiquierten Mischpulten, die mal aus den Niederlanden, dann wieder aus den Abbey Road Studios angeliefert wurden. Sie erzählen von Mikrophonen, über die schon vor einem halben Jahrhundert Nummer-Eins-Hits eingesungen wurden, und von futuristischen Arbeitsplätzen, an denen dreidimensionale Hörbücher entstehen. Von einem Producer, der bei einer HipHop-Produktion den falschen Kanal lauter dreht – und plötzlich eine Knarre vorm Gesicht hat, und einer linksautonomen Keimzelle, in der Alben im Angesicht des heftigsten bürgerlichen Widerstands entstehen. Bis hin zu den Extravaganzen von Superstars wie Mariah Carey, der der Toningenieur für 500 Dollar einen Kochtopf voll Popcorn brutzelt, oder Robbie Williams, der „sein“ Hamburger Studio vor allem dafür schätzt, dass er dort unerkannt auf dem Hof Fußball spielen kann. Weitere Geschichten ranken sich um nationale und internationale Stars, von Otto Waalkes bis Deep Purple, von Simply Red bis Einstürzende Neubauten, von Udo Lindenberg bis Elbow, von Motörhead bis Jan Delay.
Das Buch SOUNDLOTSEN soll diese Euphorie, das Brennen für Details und die Liebe zur Musik, die die Macher bei ihren Besuchen vorfanden, widerspiegeln. SOUNDLOTSEN sind aber auch die Menschen, die für die Magie hinter den Mischpulten sorgen und der Musik eine unverwechselbare Klangfarbe geben. Wir hoffen, dass die besonderen Momente und Geschichten unsere Leser ebenso euphorisieren wie jene, die die Idee zu diesem Buch hatten.